Perpetua
Gedenktag katholisch: 7. März
gebotener Gedenktag
Fest in Nordafrika
nicht gebotener Gedenktag im mozarabischen Ritus
gebotener Gedenktag in Mailand und im Ambrosianischen Teil des
Bistums Lugano: 7. Februar
Gedenktag III. Klasse 6. März, Todestag: 7. März
bedacht im Eucharistischen Hochgebet I und im Ambrosianischen Hochgebet I
Gedenktag evangelisch: 7. März
Gedenktag anglikanisch: 7. März
Gedenktage orthodox: 1. Februar, 24. März
Gedenktag armenisch: 25. Februar
Gedenktag syrisch-orthodox: 7. März
Name bedeutet: die Beständige (latein.)
Märtyrerin
† 7. März 202 (oder 203) in Karthago, dem heutigen Vorort von Tunis in Tunesien in Tunesien
Vivia Perpetua aus vornehmen Haus und ihre Sklavin Felicitas wurden in Thuburbo Minus – dem heutigen Tebourba – verhaftet, weil sie sich als Katechumenen auf die Taufe vorbereiteten. Perpetua ging der Überlieferung nach mit ihrem kleinen Sohn ins Gefängnis und empfing dort die Taufe. Ihr Vater versuchte erst mit Gewalt, dann mit Bitten und Flehen und unter Tränen, sie vom Christentum abzubringen, aber sie blieb standhaft und wurde mit ihrer Sklavin und weiteren Christen bei einer Vorführung, die Kaiser Septimius Severus zum Geburtstag seines Sohnes abhalten ließ, im Zirkus wilden Tieren vorgeworfen und dabei schwer verletzt. Die Legende erzählt, dass sie daraufhin zuerst ihre Haare wieder geordnet habe, weil es sich nicht gebühre, während der Verherrlichung zum ewigen Leben ein ungepflegtes oder gar trauriges Bild abzugeben. Dann ging sie dem noch unerfahren Henker, der sie zu erdolchen hatte, zur Hand, und half ihm, ihre Kehle zu durchschneiden.
Mit Perpetua und Felicitas starben Satyrus, von dem ebenfalls eine Himmelsvision überliefert ist, Saturninus (Torvilus), Revocatus und Secundinus (Secundus, Secundolus).
Die Leidensgeschichte von Perpetua und Felicitas besteht aus dem von Perpetua selbst verfassten Bericht, der Vision des Satyrus und Zusätzen eines Redaktors – der nicht, wie früher angenommen, Tertullian war. Diese Märtyrerinnen gehören zu den ältesten Blutzeugen des Christentums, deren Schicksal zuverlässig überliefert ist. Bald schon wurde über ihrem Grab in Karthago eine Kirche erbaut.
Reliquien liegen in der Kirche St. Peter und Paul in Bochum.
Attribute: wilde Kuh, mit Kind
Bauernregeln: Perpetua und Felicitas, / die bringen uns das erste Gras.
Perpetua kalt, Winter lang.
Die Himmelsvision der Perpetua
Während ihrer Gefangenschaft wurde Perpetua von ihrem Vater eindringlich gebeten, dem Christentum abzusagen, um am Leben zu bleiben. Ihr christlicher Bruder forderte sie auf, um eine Vision zu bitten um zu erfahren, ob ihr das Martyrium drohe oder die Freilassung möglich sei. Eine der dem Bruder berichteten Visionen:
Ich sehe eine eherne Leiter von wundersamer Größe, die an den Himmel rührt und so schmal ist, dass man nur einzeln auf ihr hinaufsteigen kann; und an den Holmen der Leiter ist allerlei Eisengerät befestigt. Da gab es Schwerter, Lanzen, Haken, Dolche, Spieße, so dass einer, der unvorsichtig oder ohne nach oben Acht zu geben emporstiege, zerrissen würde und sein Fleisch vom Eisen hinge. Und unter jener Leiter lag ein Drache von wundersamer Größe, der den Aufsteigenden auflauerte und sie davon abschrecken wollte hinaufzusteigen. Als erster aber stieg Saturus hinauf, der sich im Nachhinein unseretwegen freiwillig gestellt hatte; er selbst hatte uns ja unterwiesen; damals, als wir verhaftet wurden, war er nicht dabei gewesen. Und er gelangte ans Ende der Leiter, wandte sich um und sagte zu mir: Perpetua, ich warte auf dich; doch gib Acht, dass der Drache dich nicht beißt. Und ich sagte: Er wird mir nichts tun, im Namen Jesu Christi. Und von unter der Leiter her streckte er langsam, als fürchte er mich, den Kopf hervor. Und als träte ich auf die erste Sprosse, so trat ich ihm auf den Kopf und stieg empor. Und ich sah einen unermesslich weiten Garten, und in seiner Mitte saß ein weißhaariger Mann in Hirtentracht, groß, der Schafe molk. Und rings um ihn standen viele Tausende in weißen Gewändern. Und er hob sein Haupt, schaute mich an und sagte zu mir: Schön, dass du da bist, mein Kind. Und er rief mich herbei, und von dem Käse, den er molk, gab er mir gleichsam einen Bissen. Und ich empfing ihn mit ineinander gelegten Händen und aß. Und sämtliche Umstehenden sagten: Amen. Und vom Klang dieses Rufes erwachte ich; irgendetwas Süßes kaute ich noch. Und sogleich berichtete ich meinem Bruder. Und wir erkannten, dass das Martyrium bevorstehe, und fortan setzten wir keine Hoffnung mehr auf diese Welt.
Aus: Peter Habermehl: Perpetua und der Ägypter. Walter de Gruyter, Berlin 2004
Die Legenda Aurea erzählt die Geschichte von Perpetua und Felicitas im Kapitel über Sanct Saturninus.
Von Sanct Saturninus
aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea
Saturninus ward von der Apostel Jüngern zum Bischof geweiht und gen Toulouse gesandt. Da er nun zu der Stadt einging, wollten die bösen Geister den Heiden nimmer antworten. Da sprach der Heiden einer: Es sei denn, dass sie Saturninum töteten, anders möchten sie von ihren Göttern kein Ding mehr haben. Also griffen sie Saturninum; und da er nicht opfern wollte, banden sie ihn einem Stier an seine Füße, und trieben das Tier mit Stacheln von der Höhe der Burg die Stufen des Capitolii hinab, dass sein Schädel zerschellte und sein Gehirn herausspritzte. Also vollbrachte er das Martyrium. Zwei Frauen aber nahmen seinen Leib und begruben den gar tief unter der Erde aus Furcht vor den Heiden; aber seine Nachfolger überführten ihn hernach an eine würdigere Statt.
Es war auch ein anderer Saturninus, den ließ ein Präfect zu Rom lange in dem Kerker hungern; darnach spannte er ihn aus auf der Folter und ließ ihn mit Riemen, Knütteln und Scorpionen schlagen; und ließ seine Seiten mit Feuer brennen; und ihn darnach von der Folter nehmen und enthaupten. Das geschah unter Maximianus um das Jahr des Herrn 287.
Es war noch ein anderer Saturninus, in Africa, der ein Bruder war Sanct Satyri, welcher das Martyrium litt mit diesem seinem Bruder, und mitsamt Revocatus und Felicitas, des vorgenannten Revocati Schwester; und mit Perpetua, die war von edelem Geschlecht. Derselben Gedächtnis wird ziemlicher zu einer anderen Zeit gefeiert. Da der Richter zu ihnen sprach, sie sollten den Göttern opfern, wollten sie es in keiner Weise tun; da ließ er sie alle ins Gefängnis werfen. Als das Sanct Perpetuen Vater sah, da lief er weinend zu dem Kerker und sprach „Tochter, was hast du getan? du hast dein Geschlecht entehret, denn von allem unserm Geschlechte ward noch niemand in den Kerker geschlossen“. Da er aber vernahm, dass sie eine Christin war worden, fuhr er mit seinen Fingern wider ihre Augen, und wollte ihr die Augen ausgraben. Hiernach so lief er mit Schreien davon.
Sanct Perpetua aber hatte dieses Gesicht, das sagte sie des andern Morgens ihren Gesellen: „Ich sah eine goldne Leiter, die war so lang, dass sie an den Himmel rührte, und war so eng, dass allezeit nicht mehr denn ein kleiner Mensch darauf mochte stehn. An dieser Leiter zur Rechten und zur Linken waren eiserne Schwerter und Messer gestecket, die waren spitz und gefeilet, also dass, wer hinauf stieg, weder neben sich noch unter sich mochte schauen, sondern er musste allezeit aufrecht zum Himmel stehen. Unter dieser Leiter lag ein erschrecklicher ungeheurer Drache, also dass vor großer Furcht niemand da hinaufsteigen wollte. Darauf sah ich Sanct Satyrum die Leiter hinaufsteigen bis zu oberst; der blickte zu uns herab und sprach: „Ihr sollt den Drachen nicht fürchten, sondern steiget fröhlich empor, auf dass ihr bei mir möget sein“. Als die andern Heiligen das vernahmen, dankten sie alle Gott; denn sie erkannten, dass sie zu der Marter waren gerufen. Darnach wurden sie vor den Richter geführt, und da sie nicht opfern wollten, schied der Richter Saturninum und die anderen Männer von den Frauen; und sprach zu Felicitas „Hast du einen Gemahl?“ Sie antwortete „Ich habe einen, den verschmäh ich“. Sprach der Richter „O du zarte Frau, erbarme dich über dich selber, sonderlich da du ein Kind trägst in deinem Leib“. Sie antwortete „Tu mit mir was du willst, denn zu deinem Willen magst du mich nimmermehr kehren“. Da liefen auch Sanct Perpetuen Vater und Mutter herzu mitsamt ihrem Gemahl, die brachten auch ihr klein Kindlein dar, das noch säugend war. Und da ihr Vater sie stehen sah vor dem Richter, da fiel er nieder auf sein Angesicht und sprach „O du allerliebste Tochter, erbarme dich meiner und deiner betrübten Mutter, und deines verlassenen Gemahls, der nach dir nimmermehr mag leben“. Perpetua aber stund unbewegt. Da gab ihr der Vater das Kind an ihren Hals, und griffen alle drei ihre Hände und küßten sie, und sprachen „Liebe Tochter, erbarme dich über uns, und lebe mit uns“. Sie aber warf das Kind hin und stieß die andern von ihr und rief „Weichet von mir, ihr Feinde Gottes, ich kenne euch nicht“. Als der Präfect ihre Standhaftigkeit sah, ließ er sie sehr geißeln, und legte sie darnach wieder in den Kerker. Da betrübten sich die Heiligen gar sehr über Sanct Felicitas, die ein Kind trug in dem achten Mond. Darum beteten sie alle für sie. Also kamen die Schmerzen der Geburt plötzlich über sie, und sie genas zustund eines lebendigen Knäbleins. Sprach der Richter einer zu ihr „Was willst du nun tun, so du vor den Richter kommest, so du jetzt dich so übel gehabest in dieser kleinen Pein?“ Sie antwortete „Ich leide hier für mich selber; so leidet Gott für mich vor dem Richter“. Darnach wurden sie aus dem Gefängnis geführt, und wurden ihnen die Hände auf den Rücken gebunden; und wurden mit bloßem Hintern geführt durch die Straßen und Plätze. Darnach so ließ man wilde Tiere auf sie. Also wurden Satyrus und Perpetua von Löwen zerrissen, Revocatus und Felicitas aber von Leoparden; und ward Sanct Saturninus mit dem Schwert enthauptet. Das geschah um das Jahr des Herrn 257 unter den Kaisern Valerianus und Gallienus.
Stadlers Vollständiges Heiligenlexikon
Perpetua und Gefährten
Perpetua et Soc. M. M. (7. al. 4. März, al. 2. Febr.) Die berühmten Acten der hhl. Perpetua, Felicitas, Satur, Vivia, Saturninus, Revocatus und Secundulus sind aus der Bibliothek des Klosters Catina um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts zum ersten Male veröffentlicht worden. Dieselben wurden von den Boll. mit einem sehr sorgfältigen Commentar begleitet. Ruinart entdeckte und benützte in seinen »ächten Martyrer-Acten« noch zwei Handschriften, so daß wir im Stande sind, von den Händen so großer Führer sicher geleitet, ein getreues Bild dieses glorreichen Martyrthums zu entwerfen. Der Ort, wo sie litten und starben, ist nicht Tuburbium in Mauritanien, wie es auch im Mart. Rom. heißt, oder die gleichnamige Stadt im proconsularischen Afrika, weßhalb sie gewöhnlich aber irrig »die Tuburbitanischen Heiligen« genannt wurden. Diese sind vielmehr die hhl. Maxima, Donatilla und Secunda, deren Martyrthum in die Zeit der Kaiser Valerianus und Gallienus fällt, während die hhl. Perpetua und Genossen damals schon als Heilige verehrt wurden. Ihr Martyrtod ereignete sich viel früher, nämlich im J. 202 oder 203, als Severus römischer Kaiser war. Ihr Martyrium und die in demselben vorkommenden Gesichte, großentheils von der hl. Perpetua selbst am Vorabende ihres Todes aufgezeichnet, galten zu allen Zeiten den Gläubigen als ein besonderes und unwidersprechliches Zeugniß, daß der hl. Geist diese hl. Martyrer mit seinem Lichte und seinem Troste vollkommen erfüllt hatte. Ihr Andenken wurde deßhalb in der Kirche, namentlich aber in Afrika und Karthago hoch in Ehren gehalten, und ihre Acten, als Beispiele des wahren Glaubens und der göttlichen Gnade, in den Kirchen beim Gottesdienste zur Erbauung des christlichen Volkes vorgelesen. 1 Die Acten beginnen mit der Einkerkerung der hl. Perpetua. Aus angesehenem Geschlechte und gut erzogen, war Vivia Perpetua damals ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt. Noch hatte sie Vater und Mutter. Von ihren zwei Brüdern war der Eine gleichfalls angehender Christ. Sie war verheirathet und hatte eben ein Söhnlein an der Brust, als die Häscher sich ihrer bemächtigten und in leichter Untersuchungshaft gefangen hielten. Ihr Vater suchte sie abwendig zu machen. Da sprach sie zu ihm: »Mein Vater, kannst du das Gefäß, das hier auf dem Boden liegt, dieses Krüglein, anders nennen, als was es ist?« Er antwortete: »Nein!« »Ebenso«, fuhr sie fort, »kann auch ich mir keinen andern Namen geben, als was ich bin, eine Christin.« Der Vater stürzte sich auf sie, als wollte er ihr die Augen herausreißen, doch that er ihr nichts zu leid, sondern ging, nachdem er sie in dieser Weise beunruhigt hatte, mit seinen teuflischen Gedanken besiegt hinweg. Sie tröstete sich leicht über die Abwesenheit des Vaters, denn während der wenigen Tage Zwischenzeit empfing sie mit den Uebrigen die hl. Taufe. Der heil. Geist, dessen Gnade sie empfangen hatte, belehrte sie aber, um Nichts zu bitten, als um die Uebertragung der Leibesnoth, d. h., um die Gnade des gut überstandenen Martyriums. Bald darauf kam sie in das Gefängniß. Die junge Frau, die niemals in so finsterm Raum gewesen war, schauderte zusammen. Die unerträgliche Hitze, herrührend von der großen Zahl der Gefangenen, die Spässe der Soldaten, die Sorge für das Kind waren ihr eine große Plage. Zwei fromme Diaconen, Tertius (Titius) und Pomponius (Pontius) verschafften aber durch Bestechung der Wache ihr und ihren Mitgefangenen schon nach wenigen Stunden eine erträglichere Zelle. Freilich war ihr Leiden immer noch sehr groß, namentlich wegen des Kindes, dem sie nicht Nahrung genug geben konnte, aber doch wäre sie ohne dasselbe so unglücklich gewesen, daß sie mit demselben hier lieber weilte, als ohne dasselbe am angenehmsten Orte oder selbst in einem Palaste. Da redete der Bruder ihr zu, sie möge in Anbetracht der Gnade, die ihr vom Herrn gegeben war, um eine Vision bitten, in welcher sie über den Ausgang ihrer Sache Aufschluß erhielten: ob sie nämlich auf Leiden oder auf Befreiung hoffen dürften. Solche Gebete waren, nach dem Zeugnisse des hl. Cyprianus, nichts Ungewöhnliches und fanden sehr oft Erhörung. Die hl. Perpetua war aber davon so fest überzeugt, daß sie ihrem Bruder sogleich das Versprechen gab: »Morgen wirst du die Antwort erhalten.« Sogleich fing sie an zu beten. Während sie betete, sah sie alsbald eine goldene Leiter von wunderbarer Höhe, hinausreichend bis zum Himmel, und so schmal, daß nur je Einer hinaufsteigen konnte, an den Seiten aber waren alle Arten schneidiger Folterwerkzeuge befestiget – Schwerter, Lanzen, Hacken, Messer, – und wenn Jemand unachtsam, den Blick nicht aufwärts gerichtet, emporstieg, so wurde er zerschnitten und sein Fleisch blieb an den eisernen Werkzeugen hängen. Unter der Leiter war ein Drache von außerordentlicher Größe, der den Hinaufsteigenden rücklings nachsetzte, und sie vom Hinaufsteigen zurückschreckte. Der Erste, welcher hinaufstieg war Saturus; als er oben angelangt war, wandte er sich um und rief ihr zu: Perpetua, ich erwarte dich; sei aber vorsichtig, daß dich der Drache nicht beißt. Sie antwortete ihm: »Er wird mir nicht schaden (da ich hinaufsteige) im Namen des Herrn Jesus Christus.« Und als ob der Drache sie fürchte, erhob er nur ein wenig seinen Kopf, auf den sie trat, nachdem sie die erste Sprosse erstiegen hatte. Als sie oben war, sah sie einen Garten von unermeßlicher Ausdehnung, in dessen Mitte ein Mann saß, mit grauen Haaren, im Gewande eines Hirten. (So wurde das Bild Christi in jener Zeit in den christlichen Oratorien und auf den heiligen Gefäßen dargestellt.) Er war groß und molk die Schafe. Um ihn her standen viele Tausende mit weißen Kleidern. Und sein Haupt erhebend, sprach Er: du bist angekommen, mein Kind! Und Er rief mich zu sich und gab mir von dem Käse, den er aus der Milch bereitet hatte etwa einen Bissen; ich nahm ihn mit gefalteten Händen und aß; die Umstehenden aber sagten alle mit lauter Stimme: Amen. (Dieß war genau der Ritus, in welchem den Gläubigen die Communion gereicht zu werden pflegte.) Daran erwachte sie. Noch hatte sie etwas Süßes im Munde, sie konnte selbst nicht sagen, was es war, aber sie aß es. Aus diesem Gesichte entnahmen die Gefangenen das bevorstehende Leiden und verzichteten auf alle irdische Hoffnung. Nach wenigen Tagen verbreitete sich das Gerücht, daß sie in peinliches Verhör genommen werden sollten. Da eilte nochmal der Vater der hl. Perpetua herbei und beschwor sie bei seinen grauen Haaren, bei aller Liebe, die er ihr als Vater bewiesen, ihm nicht die Schande einer Verurtheilung anzuthun. Dabei fiel er ihr zu Füßen, küßte ihre Hände, weinte, und nannte sie nicht mehr Tochter, sondern Frau. Die Heilige hatte Mitleid mit ihm, daß nur er aus ihrer ganzen Verwandtschaft sich nicht über ihr Leiden erfreuen sollte, und sprach ihm Muth ein: »Es wird auf der Gerichtsbühne nichts geschehen, als was Gott will. Wir können nicht frei über uns verfügen, sondern befinden uns in der Hand Gottes.« Betrübt ging er von dannen. Am andern Morgen wurden die gefangenen Christen vorgeführt und legten ihr Bekenntniß ab. Im Augenblicke, als an Perpetua die Reihe kam, trat wieder ihr Vater mit dem Kinde hervor und rief flehentlich: »Schone doch des Kindes!« Der Procurator Hilarianus (Helarianus, Elarianus) sagte gleichfalls: »Schone die grauen Haare deines Vaters; schone den kleinen Sohn! Opfere für das Heil der Kaiser!« Sie weigerte sich standhaft und bekannte sich als Christin. Da wollte der Vater sich an ihr vergreifen und sie von der Bühne hinunterstürzen, aber Hilarianus ließ dafür ihn selbst hinunterstürzen und mit Ruthen streichen – was der Heiligen so wehe that, als wäre es ihr selbst geschehen. Dann sprach er das Urtheil: ad bestias, Tod durch die wilden Thiere. Die Christen wurden ins Gefängniß zurückgebracht. Die hl. Perpetua ließ durch den Diacon Pomponius (Parponianus) den Vater um ihr Kind bitten, aber diese Bitte wurde ihr abgeschlagen. Die Gefangenen wurden auch in ein anderes, dem Amphitheater näher gelegenes, vielleicht mit demselben verbundenes Gefängniß, carcer castrensis genannt, überbracht. Der Kerkermeister, Namens Pudens, war ein humaner Mann; er ließ die Christen, welche die Gefangenen zu küssen kamen, zahlreich zum Besuche. Bevor der Tag ihres Leidens, von ihr selbst »Tag des Geschenkes«, d.i. der göttlichen Gnadengabe genannt, anbrach, kam der Vater ein drittes Mal zu ihr, um mit ihr zu sprechen, aber er konnte mit allen seinen Bitten und Verwünschungen, seinen Thränen, Kniefallen, mit seinem Haar und Bartausraufen wohl ihr kindliches Mitleid neuerdings aufs höchste erregen, den beabsichtigten Abfall vom Glauben aber nicht zuwege bringen. Bald darauf hatte sie ein neues Gesicht. Sie ward in die Arena geführt und erwartete das Hervorbrechen eines der wilden Thiere. Es geschah aber nicht. Dafür hatte sie mit einem großen Aegyptier zu kämpfen, den sie, plötzlich in einen Mann verwandelt, im Zweikampf niederwarf. Aber auch Saturus hatte ein Gesicht, das er erzählte: »Bereits war unser Leiden vorüber«, sagte er, »wir verließen unsern Leib und vier Engel, deren Hände uns nicht berührten, trugen uns gegen Sonnenaufgang. Unser Weg ging nicht nach Oben, sondern nur sanft aufwärts, so wie auf einen leichten Hügel. Bald sahen wir das unendliche Licht und ich sagte zu Perpetua, die mir zur Seite ging: das ist’s, was uns der Herr versprochen hat; wir empfangen jetzt seine Verheißung. Noch immer wurden wir weiter getragen und kamen in einen weiten Raum, der um und um grün, war, mit rosigen Bäumen und allen Blumenarten bepflanzt. Die Bäume waren so hoch wie die Cypressen, und unausgesetzt fielen Blüthenblätter von ihnen herab. Hier befanden sich vier andere Engel, schöner als die vorigen; sobald sie uns sahen, erwiesen sie uns Ehre und sprachen zu den übrigen Engeln: siehe, diese sind es! Und sie wunderten sich. Nun gingen wir zu Fuß ein Stadium weit, auf einem breiten Wege. Hier fanden wir den Jocundus, Saturninus und Artaxius, die dieselbe Verfolgung leidend, lebendig verbrannten, ebenso den Quintus, der als Martyrer noch im Gefängnisse gestorben war. Als wir sie fragten, wo die Uebrigen seien, sprachen die Engel: Kommet zuerst, tretet ein und grüßet den Herrn. Der Ort, an welchem wir jetzt waren, hatte Wände, wie wenn sie von Licht erbaut worden wären; vor der Thüre standen vier Engel, welche den Eintretenden weiße Kleider gaben. Als wir angekleidet waren, gingen wir hinein und sahen das unermeßliche Licht und hörten wie mit einer einzigen Stimme viele ohne Aufhören rufen: Heilig, heilig, heilig. Mitten in dem Orte sahen wir einen Mann sitzen, altersgrau, mit schneeigen Haaren und jugendlichem Angesicht, seine Füße aber sahen wir nicht. Zur rechten und linken Seite von ihm standen die vierundzwanzig Aeltesten und hinter ihnen noch viele Andere. Wir traten mit großer Verwunderung ein und standen vor dem Throne, die vier Engel hoben uns zu Ihm und wir küßten Ihn und Er erwiederte uns den Kuß von seiner Hand ins Angesicht. Die übrigen Aeltesten sprachen zu uns: Wir haben Frieden gemacht; gehet und unterhaltet euch! Und ich sagte: Perpetua, nun hast du, was du dir gewünscht! Sie erwiederte: Gott sei Dank, als ich noch im Fleische lebte, war ich fröhlich, aber um wie viel fröhlicher bin ich jetzt! Beim Hinausgehen sahen wir rechts vor der Thüre den Bischof Optatus und links den Priester und Lehrer Aspasius, von einander geschieden und traurig; sie warfen sich uns zu Füßen und sagten: Machet Frieden unter uns, da ihr von uns weggegangen seid, ohne dieses Werk zu vollenden. Wir antworteten: Bist du nicht unser Vater und du unser Priester, warum fallet ihr uns zu Füßen? Und wir wendeten uns zu ihnen und umhalsten sie. Und Perpetua fing an, mit ihnen zu sprechen und wir thaten es gesondert mit jedem unter einem Rosenbaume im Grünen. Während wir redeten, sagten die Engel zu ihnen: Lasset sie! Ihnen gebührt Erquickung. Habt ihr unter euch Zwiespalt, so vergebe Einer dem Andern! Als sie darüber betrübt waren, sagten sie zu Optatus: Tadle dein Volk, denn sie kommen bei dir zusammen, als wären sie auf dem Heimweg vom Circus und noch im Streit wegen der Parteien. Es schien uns sogar, daß sie die Thore schließen wollten. Hierauf begannen wir hier viele Brüder kennen zu lernen, besonders auch Martyrer. Alle wurden wir von einem unaussprechlichen Geruche durchdrungen, der uns sättigte. Darüber mich freuend, erwachte ich.« Nach diesen Gesichten erzählen uns die Acten zuerst den Tod des hl. Secundulus. Er starb an den erlittenen Qualen im Gefängnisse, nicht durch die wilden Thiere, in der Gnade des Herrn. Die hl. Felicitas befürchtete etwas Aehnliches, weil sie schon im achten Monat schwanger ging. Als daher der Tag des Martyriums bevorstand, war sie sehr in Sorgen, es möchte die Urtheilsvollstreckung an ihr ihrer Schwangerschaft wegen verschoben werden, so daß sie ihr heiliges und unschuldiges Blut später vielleicht mit wirklichen Verbrechern würde vergießen müssen. Ebenso trauerten auch ihre Mitzeugen für Christus. Auch sie wollten eine so vortreffliche Gefährtin zur Begleiterin haben und nicht erst in der Hoffnung auf demselben Wege zurücklassen. Sie vereinten daher ihr Seufzen und beteten in dieser Meinung zum Herrn. Es war der dritte Tag vor ihrem gnadenvollen Leiden. Sogleich nach vollendetem Gebete befielen sie die Wehen. Da sie aber sehr schwer gebar und darüber jammerte, sprach Einer von den Wärtern: »Wenn du jetzt schon so große Schmerzen empfindest, wie wird dir’s erst gehen, wenn du den wilden Thieren vorgeworfen wirst, die du nicht zu fürchten schienst, als du dich zu opfern weigertest.« Sie antwortete: »Was ich jetzt leide, das leide ich selbst; was ich dann leiden werde, leidet jener in mir, für welchen ich leide, weil ich für ihn leiden will.« Sie gebar ein Töchterlein, die eine Schwester an Kindesstatt annahm und erzog. Unterdessen hatte aber der Tribun die Gefangenen wieder härter behandeln lassen, da er befürchtete, es könnte sonst ihren Zauberkünsten gelingen, aus dem Kerker zu entkommen. Darüber tadelte ihn Perpetua und sprach: »Warum willst du uns hungern lassen, die wir so vornehme Verurtheilte sind, daß sie am Geburtsfeste des Kaisers in den Wettkampf gelassen werden? Ist es nicht Ehrensache für dich, daß wir wohl genährt vorgeführt werden?« Der Tribun erröthete und ließ sie von jetzt an gelinder halten, so daß ihre Brüder und die Uebrigen wieder frei hereinkommen und ihnen Erfrischungen bringen durften. Der Kerkermeister Pudens war unterdessen gläubig geworden. Am Tage vor der Entscheidung hatten die Gefangenen die Wohlthat des Freimahles, aber sie feierten nicht dieses, sondern in Verbindung mit dem hl. Abendmahl – das in jener Zeit noch unter den Christen gewöhnliche gemeinsame Liebesmahl. 2 An die Neugierigen, welche gekommen waren, die Heiligen zu sehen, hielten sie freimüthige Ansprachen, ihnen die Gerichte Gottes androhend und das Glück ihres Leidens verkündend. Unter Anderm sprach Satur zu der neugierigen Menge: »Könnt ihr nicht morgen genug sehen? oder sehet ihr jetzt gerne, was ihr doch hasset, heute Freunde, morgen Feinde? Merket euch doch gut unser Angesicht, damit ihr uns dereinst am Gerichtstage wieder erkennet!« Erschüttert gingen sie weg und Viele wurden gläubig. Endlich, erzählen die Acten weiter, erschien ihr Siegestag. Sie verließen den Kerker und gingen ins Amphitheater wie in den Himmel, fröhlich, schön von Angesicht, zitternd vor Freude, nicht vor Furcht. Zuletzt schritt Perpetua mit freundlichem Gesichte und einem Schritte wie er einer Matrone, einer Geliebten des Gottes Christus geziemt, den Glanz ihrer Augen, damit Niemand in dieselben blicke, zu Boden werfend. Ebenso Felicitas, vor Freude erregt, daß sie glücklich geboren, um zum Thierkampfe gelassen zu werden, und von der Hebamme zum Fechten gehend, mit einer zweiten Taufe, der Bluttaufe, sich abzuwaschen. Am Thore wollte man sie nöthigen, das vorgeschriebene Kleid anzuziehen: die Männer das der Saturnuspriester, die Frauen das der Priesterinnen der Ceres. Aber Perpetua weigerte sich standhaft und sprach im Namen Aller: »Freiwillig«, sprach sie, »sind wir hiehergekommen, damit unser freier Wille keinen Zwang erleide; deßwegen haben wir unser Leben preisgegeben, damit wir nichts dergleichen thun müßten; ich berufe mich auf dieses mein vertragsmäßiges Recht.« Und die Ungerechtigkeit erkannte dieses Mal auf Gerechtigkeit; der Tribun (Richter) gestattete, daß sie in ihren eigenen Kleidern, wie sie waren, in die Arena geführt wurden. Perpetua sang Psalmen, da sie »dem Aegyptier« ja bereits auf den Kopf trat. Revocatus, Saturninus und Saturus bedrohten das ihnen zuschauende Volk mit dem göttlichen Gerichte. Wie sie dem Hilarianus gegenüber kamen, sagten sie auch zu ihm durch Haltung und Gebärden: »Du richtest uns, dich aber wird Gott richten.« Darüber erbittert, verlangte das Volk, daß sie von den »Jägern« – so hieß man die Thierhetzer – mit Geißeln tractirt würden (eine Art Spitzruthenlaufen). Sie wünschten sich Glück, daß sie auf diese Weise auch etwas vom Leiden des Herrn verkosten dürften. Dieser aber gab jedem von ihnen den Ausgang, den er gewünscht, gemäß seinem Versprechen: »Bittet, und ihr werdet empfangen.« Als sie nämlich über ihr Martyrium mit einander redeten, wünschte Saturninus allen Thieren vorgeworfen zu werden, um nämlich eine herrlichere Krone zu erlangen. Wirklich wurden er und Revocatus, nachdem sie von einem Leoparden angefallen waren, auch noch auf dem Sprechplatze (pulpitum, eine weite hölzerne Bühne), den Tatzen eines Bären preisgegeben. Saturus bat, weil er vor den Bären große Scheu trug, von einem einzigen Leopardenbisse getödtet zu werden. Und siehe, man ließ ein Wildschwein auf ihn los; dieses aber sprang zurück und verwundete den »Jäger« (Hetzer), so daß er einige Tage später starb. Da wurde Saturus ohne Begleitung hineingezogen. Man setzte ihn an der Brücke den Anfällen eines Bären aus, aber der Bär verließ, obwohl heftig gereizt, seine Höhle nicht. So wurde Saturus, der ein zweites Mal unverletzt geblieben, wieder abgeführt. Für die Frauenspersonen hatte der Teufel, ihrem Geschlechte entsprechend, eine wilde Kuh, was gegen alle Uebung war, in Bereitschaft gehalten. Sie wurden also ausgezogen und in die Netze eingehüllt vorgeführt. Das Volk erschauderte und murrte laut, als es in der Einen die zarte Jugend, an der Andern die von der Geburt her noch tropfenden Brüste sah. Sie wurden also zurückgebracht und aus den Netzen herausgebunden. Dann wurde zuerst Perpetua vorgeführt; in die Höhe geschleudert, fiel sie auf den Rücken. Als sie bemerkte, daß ihr Kleid an der Seite einen Riß bekommen hatte, zog sie es an sich, um die Schenkel einzuhüllen, indem sie mehr der Schamhaftigkeit als der Schmerzen eingedenk war. Als sie weggetragen war, brachte sie auch noch die zerstreuten Haare in Ordnung. Es schien ihr ungeziemend, daß eine Martyrin mit aufgelösten Haaren leide, als empfinde sie Trauer über ihre Verherrlichung. So stand sie auf und trat, als sie neben sich die gleichfalls schon geworfene Felicitas erblickte, zu derselben hin, reichte ihr die Hand und hob sie auf. Beide standen da und wurden, da die Härte des Volkes besiegt war, wieder durch das Thor zurückgeführt. Dort wurde Uerpetna von einem Katechumenen, Namens Rusticus, der ihr wie ein Bruder zugethan war, aufgenommen, und sagte wie von tiefem Schlafe erwachend – so sehr war sie im Geiste und in der Entzückung gewesen: »ich weiß nicht, wann wir einmal jener wilden Kuh sollen vorgeführt werden.« Als man ihr antwortete, daß es schon geschehen sey, wollte sie es nicht glauben, bis sie am Leibe die Male und am Kleide die Risse bemerkte, welche das Thier mit seinen Hörnern gemacht hatte. Darauf antwortete sie: »Stehet im Glauben, liebet euch Alle einander, und ärgert euch nicht an unsern Leiden.« An einem andern Thore ermahnte Saturus den Soldaten Pudens, indem er sprach: »Ich bin noch allein übrig, und wie ich vorausgesagt habe, so wird es geschehen. Bis jetzt habe ich noch kein Thier empfunden. Aber jetzt glaube von ganzem Herzen. Siehe, ich trete vor und ein einziger Leopardenbiß wird mich tödten.« Wirklich wurde er, da das Schauspiel zu Ende ging, einem Leoparden vorgeworfen; ein einziger Biß desselben übergoß ihn so sehr mit Blut, daß er beim Zurückgehen wie zum zweiten Mal getauft war; das aber Volk rief mit spotthafter Anspielung auf die heil. Taufe: salvum lotum, salvum lotum! Glücklich gewaschen, glücklich gewaschen! In der That war ihm das Glück des Martyriums zu Theil geworden. Er sprach jetzt zu dem Soldaten (Gefangenenwächter) Pubens: Lebe wohl und sei eingedenk meiner Treue. Mögen diese Ereignisse dich nicht verwirren, sondern befestigen. Dann bat er ihn um seinen Fingerring, tauchte denselben in sein Blut und gab ihm ihn als Erbschaft und als Unterpfand der Erinnerung an sein vergossenes Blut wieder zurück. Hierauf fiel er in Ohnmacht und wurde mit den Uebrigen an den Ort des Gnadenstoßes (in das sog. Spoliarium) gebracht. Als das Volk verlangte, daß er öffentlich vor aller Augen geschehe, standen sie freiwillig auf und ließen sich hinführen wohin man wollte. Ehe sie starben, gaben sie sich gegenseitig noch den feierlichen Kuß des heiligen Friedens, dem sie entgegengingen. Während nun die Uebrigen unbeweglich und stillschweigend das tödtliche Eisen empfingen, um so mehr aber Saturus, der auch zuerst die Leiter erstiegen und die Perpetua gestützt hatte, jammerte diese laut auf wegen der Stichwunden zwischen den Rippen und setzte, wie auch die Gladiatoren zu thun pflegten, selbst die fehlende Rechte des jungen Gladiators in ihre Kehle. Vielleicht hätte diese so große Frau, die vom unreinen Geiste gefürchtet wurde, nicht getödtet werden können, wenn sie nicht selbst hätte getödtet werden wollen. Als es Nacht geworden, kamen die Christen, nahmen die hl. Leiber auf die Schultern, und bestatteten sie. Die Verehrung dieser hhl. Martyrer zog bereits zur Zeit des hl. Augustinus alljährlich eine große Menschenmenge nach Carthago. Die hl. Perpetua wird (I. 300 u. 748) auch zum 4. u. 8. März genannt. Sie ist mit der hl. Felicitas in den Meßcanon aufgenommen. Auf Abbildungen haben sie neben sich öfter die wilde Kuh (nicht Stier), der sie zur Belustigung des Volkes waren vorgeworfen worden. Das Martyrium der hl. Perpetua wurde bereits im 3. Jahrh. bildlich dargestellt. Sie findet sich abgebildet in den verschiedenen Stationen ihres Leidens, so z. B. mit ihrem Kinde im Gefängnisse u.s.f. Unkundige Maler ließen sie wohl auch von Löwen zerrissen werden, weil sie mehr nicht gelesen hatten, als daß sie den wilden Thieren vorgeworfen wurde. (I. 630.)
1 Daß sie diesen Zweck auch in unsern Tagen noch erfüllen, beweist das schöne Büchlein: Perpetna oder die afrikanischen Märtyrer des dritten Jahrhunderts. Von J. Praxmarer. Innsbruck, 1866. Es sei hiemit den Lesern des H.-L. angelegentlich empfohlen.
1 Daß die Liebesmahle nach apostolischer Anordnung mit dem hl. Abendmahl verbunden und gemeinsam gefeiert wurden, sehen wir aus 1 Kor. 11,20 vgl. mit Apg. 2,46. Eine Beschreibung derselben gibt Tertullian: »Keiner setzt sich zu Tische, er habe denn zuvor das Gebet gesprochen. Die Hungrigen essen so viel sie wollen, die Durstigen trinken so viel als ehrbaren und züchtigen Leuten ziemt. Bei der Sättigung bleibt ihnen stets der Gedanke, daß sie in der Nacht noch dem Herrn dienen müssen und bei der Unterredung der Gedanke, daß Gott sie höre. Nach der Mahlzeit wäscht jeder die Hände, man betet und geht weg.«
Catholic Encyclopedia
Sts. Felicitas and Perpetua
Martyrs, suffered at Carthage, 7 March 203, together with three companions, Revocatus, Saturus, and Saturninus. The details of the martyrdom of these five confessors in the North African Church have reached us through a genuine, contemporary description, one of the most affecting accounts of the glorious warfare of Christian martyrdom in ancient times. By a rescript of Septimus Severus (193-211) all imperial subjects were forbidden under severe penalties to become Christians. In consequence of this decree, five catechumens at Carthage were seized and cast into prison, viz. Vibia Perpetua, a young married lady of noble birth; the slave Felicitas, and her fellow-slave Revocatus, also Saturninus and Secundulus. Soon one Saturus, who deliberately declared himself a Christian before the judge, was also incarcerated. Perpetua’s father was a pagan; her mother, however,and two brothers were Christians, one being still a catechumen; a third brother, the child Dinocrates, had died a pagan.
After their arrest, and before they were led away to prison, the five catechumens were baptized. The sufferings of the prison life, the attempts of Perpetua’s father to induce her to apostatize, the vicissitudes of the martyrs before their execution, the visions of Saturus and Perpetua in their dungeons, were all faithfully committed to writing by the last two. Shortly after the death of the martyrs a zealous Christian added to this document an account of their execution. The darkness of their prison and the oppressive atmosphere seemed frightful to Perpetua, whose terror was increased by anxiety for her young child. Two deacons succeeded, by sufficiently bribing the jailer, in gaining admittance to the imprisoned Christians and alleviated somewhat their sufferings. Perpetua’s mother also, and her brother, yet a catechumen, visited them. Her mother brought in her arms to Perpetua her little son, whom she was permitted to nurse and retain in prison with her. A vision, in which she saw herself ascending a ladder leading to green meadows, where a flock of sheep was browsing, assured her of her approaching martyrdom.
A few days later Perpetua’s father, hearing a rumour that the trial of the imprisoned Christians would soon take place, again visited their dungeon and besought her by everything dear to her not to put this disgrace on her name; but Perpetua remained steadfast to her Faith. The next day the trial of the six confessors took place, before the Procurator Hilarianus. All six resolutely confessed their Christian Faith. Perpetua’s father, carrying her child in his arms, approached her again and attempted, for the last time, to induce her to apostatize; the procurator also remonstrated with her but in vain. She refused to sacrifice to the gods for the safety of the emperor. The procurator thereupon had the father removed by force, on which occasion he was struck with a whip. The Christians were then condemned to be torn to pieces by wild beasts, for which they gave thanks to God. In a vision Perpetua saw her brother Dinocrates, who had did at the early age of seven, at first seeming to be sorrowful and in pain, but shortly thereafter happy and healthy. Another apparition, in which she saw herself fighting with a savage Ethiopian, whom she conquered, made it clear to her that she would not have to do battle with wild beasts but with the Devil. Saturus, who also wrote down his visions, saw himself and Perpetua transported by four angels, towards the East to a beautiful garden, where they met four other North African Christians who had suffered martyrdom during the same persecution, viz. Jocundus, Saturninus, Artaius, and Quintus. He also saw in this vision Bishop Optatus of Carthage and the priest Aspasius, who prayed the martyrs to arrange a reconciliation between them. In the meanwhile the birthday festival of the Emperor Geta approached, on which occasion the condemned Christians were to fight with wild beasts in the military games; they were therefore transferred to the prison in the camp. The jailer Pudens had learnt to respect the confessors, and he permitted other Christians to visit them. Perpetua’s father was also admitted and made another fruitless attempt to pervert her.
Secundulus, one of the confessors, died in prison. Felicitas, who at the time of her incarceration was with child (in the eighth month), was apprehensive that she would not be permitted to suffer martyrdom at the same time as the others, since the law forbade the execution of pregnant women. Happily, two days before the games she gave birth to a daughter, who was adopted by a Christian woman. On 7 March, the five confessors were led into the amphitheatre. At the demand of the pagan mob they were first scourged; then a boar, a bear, and a leopard, were set at the men, and a wild cow at the women. Wounded by the wild animals, they gave each other the kiss of peace and were then put to the sword. Their bodies were interred at Carthage. Their feast day was solemnly commemorated even outside Africa. Thus under 7 March the names of Felicitas and Perpetua are entered in the Philocalian calendar, i.e. the calendar of martyrs venerated publicly in the fourth century at Rome. A magnificent basilica was afterwards erected over their tomb, the Basilica Majorum; that the tomb was indeed in this basilica has lately been proved by Pere Delattre, who discovered there an ancient inscription bearing the names of the martyrs.
The feast of these saints is still celebrated on 7 March. The Latin description of their martyrdom was discovered by Holstenius and published by Poussines. Chapters iii-x contain the narrative and the visions of Perpetua; chapters xi-ciii the vision of Saturus; chapters i, ii and xiv-xxi were written by an eyewitness soon after the death of the martyrs. In 1890 Rendel Harris discovered a similar narrative written in Greek, which he published in collaboration with Seth K. Gifford (London, 1890). Several historians maintain that this Greek text is the original, others that both the Greek and the Latin texts are contemporary; but there is no doubt that the Latin text is the original and that the Greek is merely a translation. That Tertullian is the author of these Acts is an unproved assertion. The statement that these martyrs were all or in part Montanists also lacks proof; at least there is no intimations of it in the Acts.
HOLSTENIUS, Passio SS. MM. Perpetuae et Felicitatis, ed. POSSINUS (Rome, 1663); RUINART, Acta sincera martyrum (Ratisbon, 1859), 137 sqq.; Acta SS., March, I, 633-38; HARRIS and GIFFORD, The Acts of Martyrdom of Perpetua and Felicitas (London, 1890); ROBINSON, The Passion of S. perpetua in Texts and Studies, I (Cambridge, 1891),2; FRANCHI DE’CAVALIERI, La Passio SS. Perpetuæ et Felicitatis in Röm. Quartalschr., supplement V (Rome, 1896); Bibliotheca Hagiographica Latina, ed. BOLLANDISTS, II, 964; Analecta Bollandiana (1892), 100-02; 369-72; ORSI, Dissertatio apologetica pro SS. Perpetuae, Felicitatis et sociorum martyrum orthodoxiâ (Florence, 1728); PILLET, Les martyrs d’Afrique, Histoire de Ste Perpetua et de ses compagnons (Paris, 1885); AUBÉ, Les actes des SS. Felicite, Perpétue et de luers compagnons in Les chretiens dans l’Empire Romain (Paris, 1881), 509-25; NEUMANN, Der römische Staat und die allgemeine Kirche, I (Leipzig, 1890), 170-76, 299-300; ALLARD, Histoire des persecutions, II (Paris, 1886), 96 sqq.; MONCEAUX, Histoire litteraire de l’Afrique chrétienne, I (Paris, 1901), 7 0-96; DELATTRE, La Basilica Maiorum, tombeau des SS. Perpetue et Félicité in Comples-rendus de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres (1907), 516-31.
Die Märtyrerakten der Perpetua und Felicitas auf Deutsch gibt es in der Bibliothek der Kirchenväter der Université Fribourg.
Märtyrerakten
Die Akten der Hl. Perpetua und Felizitas
1.
[S. 328] Wenn die alten Beispiele des Glaubens, die von der Gnade Gottes Zeugnis geben und zugleich die Erbauung des Menschen bewirken, darum schriftlich aufgezeichnet worden sind, damit bei ihrer Lesung durch eine gewisse neue Vergegenwärtigung der Dinge sowohl Gott geehrt als auch der Mensch gestärkt werde, warum sollten dann nicht auch neue Denkmäler, die in gleicher Weise zu beiden Zwecken dienen, schriftlich abgefaßt werden? Werden doch auch diese einmal in gleicher Weise alt und den Nachkommen nötig sein, wenn sie in ihrer gegenwärtigen Zeit wegen der nun einmal bestehenden Verehrung für das Altertum in geringerem Ansehen stehen. Die aber die gleiche Kraft des einen Heiligen Geistes allen Zeitaltern zuschreiben, mögen sich vorsehen, da das Neuere für größer zu halten ist, weil es dem Ende näher steht und ein Überfluß der Gnade gerade für die letzten Zeiten vorbehalten ist. Denn in den letzten Tagen, spricht der Herr, werde ich von meinem Geiste ausgießen über alles Fleisch und ihre Söhne und Töchter werden weissagen; auch über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geiste ausgießen, Jünglinge werden Gesichte sehen und Greise Traumerscheinungen haben1 . Darum müssen wir, da wir, wie die Prophezeiungen, so auch die neuen gleichfalls verheißenen Gesichte anerkennen und verehren und auch die übrigen Gnadenwirkungen des Heiligen Geistes als bestimmt zur Unterstützung der Kirche ansehen — dieser ist er gesandt worden, der alle Gaben in allen wirkt, wie der Herr einem jeden zuerteilt hat –, das aufzeichnen und durch Lesung zur Ehre Gottes verherrlichen, damit nicht Schwachheit oder Verzweiflung am Glauben meine, nur mit den Alten sei die Gnade Gottes gewesen und habe sie der Märtyrer und Offenbarungen gewürdigt, da doch Gott immer wirkt, was er verheißen hat, den Ungläubigen zum Zeugnis, den Gläubigen zum Troste. Daher verkündigen wir euch, Brüder und Söhne, was wir gehört und mitgemacht haben, damit einerseits ihr, die ihr dabei wart, euch wieder erinnert der Herrlichkeit des Herrn, anderseits ihr, die ihr es jetzt erst hört, Gemeinschaft habet mit den heiligen Märtyrern und durch sie mit dem Herrn Jesus Christus; ihm sei Herrlichkeit und Ehre in alle Ewigkeit. Amen.
1: vgl. Apg.2,17;Joel 2,28
Märtyrerakten – Die Akten der Hl. Perpetua und Felizitas
2.
Es wurden junge Katechumenen ergriffen; Revokatus und seine Mitsklavin Felizitas, Saturninus und Sekundulus, unter ihnen auch Vibia Perpetua von vornehmer Geburt, fein erzogen und ehrbar verehelicht. Sie hatte einen Vater, eine Mutter, zwei Brüder von denen einer ebenfalls Katechumene war, und einen Sohn als Säugling. Sie war ungefähr 22 Jahre alt. Diese erzählt hier selbst den ganzen Hergang ihres Martyriums, wie sie ihn mit eigener Hand und in ihrem Sinne geschrieben hinterlassen hat.
3.
Als wir noch, sagt sie, mit den Häschern zusammen waren und mein Vater in seiner Liebe nicht aufhörte, mir zuzureden, um mich zum Abfall zu bringen, da sagte ich: Siehst du beispielsweise dieses hier liegende Gefäß, ein Krüglein oder sonst etwas? Er antwortete: Ich sehe es. Darauf sagte ich: Kann man es wohl anders nennen, als was es ist? Und er sagte: Nein. So kann auch ich mich nicht anders nennen, als was ich bin, eine Christin. Der Vater, durch dieses Wort aufgebracht, stürzte sich auf mich, um mir die Augen auszureißen; aber er quälte mich nur und ging davon, überwunden wie seine Teufelsredekünste. Da habe ich dann in den wenigen Tagen, wo ich den Vater los war, dem Herrn gedankt und mich durch seine Abwesenheit erholt. In dieser Frist von wenigen Tagen wurden wir getauft, und mir gab der Geist es ein, um nichts anderes zu bitten nach der Taufe als um das Ausharren des Fleisches. Nach einigen Tagen wurden wir in den Kerker gesteckt und ich entsetzte mich, da ich noch nie eine solche Finsternis erfahren hatte. O schrecklicher Tag! Eine gewaltige Hitze; denn in ganzen Haufen wurden die Leute von den Soldaten hineingeworfen, und zuletzt quälte mich auch noch die Sorge um mein Kind daselbst. Da haben die guten Diakonen Tertius und Pomponius, die uns dienten, mit Geld erreicht, daß wir für einige Stunden an einer besseren Stelle des Kerkers uns erfrischen konnten. Da gingen alle aus dem Kerker und erholten sich: ich säugte mein schon halb verschmachtetes Kind, um das besorgt ich die Mutter tröstete, meinen Bruder aber stärkte und ihm den Sohn empfahl; ich litt schwer, weil ich sie meinetwegen leiden sah. Solche Ängsten habe ich viele Tage ausgestanden, erreichte aber, daß das Kind in meiner Pflege im Kerker blieb; es erholte sich und ich fühlte mich erleichtert durch die Mühe und die Sorge um das Kind; das Gefängnis wurde mir auf einmal zum Palaste, so daß ich dort lieber als anderswo sein wollte.
4.
Da sagte mein Bruder zu mir: Frau Schwester, du hast schon eine solche Begnadigung, daß du eine Offenbarung erbitten kannst, damit dir gezeigt werde, ob es zum Leiden kommt oder ob wir frei werden. Und ich, die ich wohl wußte, daß ich mit Gott reden würde, von dem ich schon so viele Wohltaten erfahren hatte, versprach es ihm vertrauensvoll und sagte: Morgen werde ich es dir melden. Ich betete und es wurde mir folgendes gezeigt: Ich sah eine eherne, sehr hohe Leiter, die bis an den Himmel reichte, aber so eng war, daß immer nur einer hinaufsteigen konnte; an den Seiten der Leiter waren allerlei Eisenwerkzeuge eingesteckt: Schwerter, Lanzen, Sicheln, Messer und Spieße, so daß, wer saumselig und nicht mit dem Blicke nach oben hinaufstieg, zerfleischt wurde und sein Fleisch an den Eisen hängen blieb. Unten an der Leiter lag ein gewaltig großer Drache, der den Aufsteigenden nachstellte und sie vom Aufstieg abschrecken sollte. Saturninus stieg zuerst hinauf, der sich nachträglich aus freien Stücken gemeldet und uns so zur Erbauung gedient hatte; als wir nämlich ergriffen wurden, war er nicht dabei. Er kam bis auf die Spitze der Leiter, wandte sich um und sagte zu mir: Perpetua, ich erwarte dich; doch sieh zu, daß dich dieser Drache nicht beißt! Und ich entgegnete: Er wird mir nicht schaden, im Namen Jesu Christi. Und er steckte unten von der Leiter her, als ob er mich fürchtete, sachte seinen Kopf hervor; ich aber trat ihm auf den Kopf, gleich als wenn ich auf die erste Stufe träte, und stieg hinauf. Und ich sah einen weit ausgedehnten Garten und in seiner Mitte einen altersgrauen Mann sitzen im Gewande eines Hirten; der war groß und molk die Schafe, und viele Tausende in weißen Kleidern standen umher und er erhob sein Haupt, sah mich an und sagte zu mir: Willkommen, Kind. Er gab mir von dem Käse der Milch, die er molk, einen Bissen; ich empfing ihn mit zusammengelegten Händen und aß ihn, wobei die Umstehenden sagten: Amen. Und beim Laut der Stimme erwachte ich, noch essend das Süße, was immer es auch war. Das habe ich sofort meinem Bruder berichtet und wir erkannten daraus, daß Leiden uns bevorstehen; da fing ich auch schon an, keine Hoffnung mehr auf die Welt zu setzen.
5.
Nach wenigen Tagen ging das Gerücht, wir sollten verhört werden. Es kam aber auch aus der Stadt mein Vater, ganz von Gram verzehrt; er stieg zu mir hinauf, um mich zu Fall zu bringen, und sagte: Tochter, erbarme dich meiner grauen Haare, erbarme dich deines Vaters, wenn du mich noch für wert hältst, dein Vater zu heißen; wenn ich dich mit diesen Händen zu solcher Blüte des Alters aufgezogen, wenn ich dich allen deinen Brüdern vorgezogen habe, so gib mich nicht dem Spotte der Menschen preis. Blicke auf deine Brüder, blicke auf deine Mutter und deine Tante, blicke auf dein Kind, das nach deinem Tode nicht wird fortleben können. Beuge deinen Sinn, richte uns nicht alle zugrunde, denn keiner von uns wird freimütig reden, wenn dir etwas Schlimmes zustößt. Das sagte er in seiner väterlichen Liebe; er küßte mir die Hände, warf sich zu meinen Füßen und nannte mich unter Tränen nicht mehr Tochter, sondern Frau. Mich schmerzte das Schicksal meines Vaters, daß er allein von meiner ganzen Familie sich über meine Leiden nicht freuen würde; ich tröstete ihn mit den Worten: Das wird auf jener Bühne geschehen, was Gott will; denn wisse, daß wir nicht in unserer, sondern in Gottes Gewalt sein werden. Und er ging traurig von mir hinweg.
6.
Als wir am anderen Tage eben frühstückten, wurden wir plötzlich fortgeholt, um verhört zu werden, und kamen in den Gerichtshof. Sofort verbreitete sich der Ruf davon in die Nachbarschaft, und es kam viel Volk zusammen. Wir stiegen die Bühne hinauf. Die andern bekannten alle, als sie gefragt wurden; dann kam man zu mir. Sofort erschien auch der Vater wieder mit meinem Kinde, zog mich von der Stufe hinab und sagte: Bitte um Gnade, erbarme dich deines Kindes! Und der Prokurator Hilarianus, der damals an Stelle des verstorbenen Prokonsuls Minucius Timinianus die Gerichtsbarkeit über Leben und Tod hatte, sagte: Schone der grauen Haare deines Vaters, nimm Rücksicht auf die Kindheit des Knaben, opfere für das Wohl der Kaiser! Ich antwortete: Das tu ich nicht. Darauf Hilarianus: Bist du eine Christin? Und ich entgegnete: Ich bin eine Christin. Und da mein Vater da stand, um mich abzuziehen, wurde er auf Befehl des Hilarianus hinabgestoßen und auch mit der Rute geschlagen. Das Unheil meines Vaters ging mir zu Herzen; als wäre ich selbst geschlagen worden, so schmerzte mich sein unglückliches Alter. Darauf sprach er über uns alle das Urteil, daß wir den wilden Tieren vorgeworfen werden sollten, und wir stiegen heiter in den Kerker hinab. Weil aber das Kind gewohnt war, von mir die Brust zu empfangen und bei mir im Kerker zu bleiben, schickte ich sogleich den Diakon Pomponius zu meinem Vater und bat um das Kind. Aber der Vater wollte es nicht geben. Und nach Gottes Willen hat es weiter die Brust nicht begehrt und diese hat mir auch keinen Schmerz gemacht, damit ich nicht durch die Sorge um das Kind und den Schmerz der Brüste zugleich gequält würde.
7.
Nach wenigen Tagen, während wir alle beteten, brach mir plötzlich mitten im Gebete die Stimme hervor und ich nannte den Dinokrates. Ich staunte, daß er mir nie in den Sinn gekommen war als nur in diesem Augenblicke, und ich dachte mit Trauer an sein Schicksal. Ich erkannte auch sofort, daß ich würdig sei und für ihn beten müsse, und fing an, für ihn viele Gebete zu sprechen und zum Herrn zu seufzen. Sofort noch in derselben Nacht hatte ich folgendes Gesicht. Ich sehe den Dinokrates aus einem finsteren Orte, wo viele ganz erhitzt und durstig waren, in schmutziger Kleidung und blasser Farbe hervorkommen mit einer Wunde im Gesicht, die er hatte, als er starb. Dieser Dinokrates war mein leiblicher Bruder, der im Alter von sieben Jahren aus Schwäche wegen eines Krebsleidens im Gesichte elend starb, so daß sein Tod allen Menschen ein Abscheu war. Für diesen also hatte ich gebetet, und es war zwischen mir und ihm ein großer Zwischenraum, so daß wir beide nicht zueinander kommen konnten. Es war ferner an dem Orte, an welchem Dinokrates sich befand, ein Bassin voll Wasser, dessen Rand aber höher war als die Größe des Knaben, und Dinokrates streckte sich aus, als ob er trinken wollte. Ich war traurig darüber, daß jenes Bassin voll Wasser war und er doch wegen der Höhe der Umfassung nicht trinken konnte. Da erwachte ich und wurde inne, daß mein Bruder leide; aber ich vertraute, daß ich seiner Not abhelfen werde, an all den Tagen, bis wir in den Kerker des Lagers übersiedelten; denn bei den Spielen nahe dem Lager sollten wir kämpfen; es war damals der Geburtstag des Cäsars Geta. Und ich betete für ihn Tag und Nacht mit Seufzen und Tränen, damit er mir geschenkt werde.
8.
An dem Tage, an welchem wir im Kerker gefesselt blieben, hatte ich folgende Erscheinung. Ich sehe jenen Ort, den ich früher gesehen hatte, und den Dinokrates mit gewaschenem Leibe, gut gekleidet und sich erholend; wo die Wunde gewesen war, sehe ich eine Narbe, und die Umfassung jenes Teiches war tiefer geworden bis an den Nabel des Knaben; ohne Aufhören schöpfte er Wasser aus dem Bassin. Über der Umfassung war auch eine goldene Schale voll Wasser; Dinokrates trat hinzu und fing an, aus der Schale zu trinken, und diese wurde nicht leerer; nachdem er genug Wasser getrunken hatte, fing er froh nach Art der Kinder an zu spielen. Da erwachte ich und erkannte, daß er aus der Strafe entlassen war.
9.
Wenige Tage darnach ließ der Unteroffizier Pudens, der die Kerkeraufsicht führte und uns hochzuschätzen anfing, in der Erkenntnis, daß eine große Kraft in uns sei, viele zu uns herein, daß wir uns einander erheitern könnten. Als aber der Tag des Festspieles herankam, trat mein Vater zu mir herein, ganz von Gram verzehrt; er fing an, seinen Bart auszureißen und auf die Erde zu werfen, sich mit dem Gesichte auf den Boden hinzustrecken, seine Jahre zu verwünschen und solche Worte zu sprechen, die jeden Menschen ergreifen mußten. Mich schmerzte sein unglückseliges Alter.
10.
Am letzten Tage vor unserem Kampfe sah ich in einer Erscheinung folgendes. Der Diakon Pomponius trete an die Türe des Kerkers und klopfe heftig; ich ging zu ihm hinaus und öffnete ihm; er trug ein weißes, ungegürtetes Gewand mit allerlei Verzierungen am unteren Saume. Er sprach zu mir: Perpetua, dich erwarten wir, komm! Er hielt mich bei der Hand und wir fingen an, auf rauhen und windungsreichen Wegen zu gehen. Kaum waren wir endlich keuchend am Amphitheater angekommen, da führte er mich mitten in den Kampfplatz und sagte zu mir: Fürchte dich nicht; ich bin hier bei dir und helfe dir im Streite; dann ging er fort. Und ich sehe eine gewaltige, erstaunte Volksmenge. Und weil ich wußte, daß ich zu den Tieren verurteilt worden war, wunderte ich mich, daß keines von diesen auf mich losgelassen wurde. Es kam aber ein Ägypter heraus, häßlich von Ansehen, der mit seinen Helfern gegen mich kämpfen sollte; es kamen aber auch schöne Jünglinge zu mir, um mir zu helfen und mich zu schützen; ich wurde entkleidet und war ein Mann. Meine Beschützer fingen an, mich mit Öl einzureiben, wie man das zum Wettkampfe zu tun pflegt; meinen Gegner dagegen, den Ägypter, sehe ich sich im Sande wälzen. Dann kam ein Mann heraus, gewaltig groß, derart, daß er sogar den Giebel des Amphitheaters überragte; er hatte auf seinem Gewande Purpur, zwischen den zwei Purpurstreifen noch mitten auf der Brust und unten am Gewande allerlei Anhängsel von Gold und Silber; er trug auch einen Stab wie ein Kampfrichter und einen grünen Zweig, an dem goldene Äpfel hingen. Er gebot Stillschweigen und sagte: Wenn der Ägypter da diese überwindet, wird er sie mit dem Schwerte töten; überwindet sie ihn, bekommt sie diesen Zweig. Dann ging er zurück. Wir traten einander gegenüber und begannen den Faustkampf; er suchte mir die Füße zu fassen, ich aber stieß ihn mit den Fersen ins Gesicht; ich wurde von der Luft in die Höhe gehoben und fing an, ihn so zu schlagen, als wenn ich nicht mehr auf der Erde stände; als ich aber Zeit fand, schlug ich die Hände zusammen, Finger an Finger, und faßte seinen Kopf; da fiel er auf das Angesicht und ich trat ihn auf den Kopf. Das Volk fing an zu schreien und meine Beschützer an zu singen; ich aber trat herzu zum Kampfrichter und empfing den Zweig. Er küßte mich und sagte zu mir: Tochter, der Friede sei mit dir! Und ruhmvoll schritt ich zum sanavivarischen Tore hin. Da erwachte ich und erkannte, daß ich nicht gegen die Tiere, sondern gegen den Teufel kämpfen werde; aber ich wußte auch, daß mir der Sieg bevorstand. Das habe ich am Tage vor dem Festspiele geschrieben; was aber beim Festspiele selbst geschieht, möge aufschreiben, wer will.
11.
Aber auch der selige Saturus hat folgende Erscheinung, die er selbst gehabt hat, aufgeschrieben und bekannt gemacht. Wir hatten, sagt er, gelitten und gingen aus dem Fleische hinaus; da wurden wir von vier Engeln, deren Hände uns nicht berührten, nach Osten getragen. Wir machten den Weg aber nicht mit dem Rücken liegend und aufwärts gerichtet, sondern so, als wenn wir einen sanften Hügel hinanstiegen. Und als wir aus der ersten Welt heraus waren, sahen wir ein großes Licht, und Perpetua, die an meiner Seite war, sagte: Das ist, was uns der Herr verheißen hat, wir haben die Verheißung empfangen. Und indem wir so von den vier Engeln getragen wurden, öffnete sich uns ein weiter Raum, wie ein Lustgarten; darin waren Rosenbäume und Blumen aller Art. Die Bäume waren so hoch wie Zypressen und ihre Blätter fielen ohne Unterlaß herab. Dort in dem Lustgarten waren vier andere Engel, herrlicher als die vorigen; als diese uns sahen, erwiesen sie uns Ehre und sagten zu den anderen Engeln: Da sind sie, da sind sie! Mit Verwunderung und staunend setzten uns nun jene Engel, die uns getragen hatten, ab und wir durchschritten den Raum zu Fuß auf einem breiten Wege. Dort fanden wir den Jokundus, den Saturninus und den Artaxius, die in derselben Verfolgung lebendig verbrannt wurden, und den Quintus, der als Märtyrer im Kerker gestorben war, und fragten sie, wo die übrigen seien. Die Engel aber sprachen zu uns: Kommt zunächst hinein und grüßet den Herrn.
12.
Und wir kamen zu einem Orte, dessen Wände aus Licht gebaut zu sein schienen; vor dem Eingange dieses Ortes bekleideten uns, als wir eintraten, vier Engel mit weißen Gewändern. Wir traten ein und hörten eine vereinte Stimme, die unaufhörlich: Heilig, heilig, heilig rief. Und wir sahen in diesem Orte einen alten Mann sitzen, der schneeweißes Haar, aber ein jugendliches Angesicht hatte; seine Füße aber sahen wir nicht. Zu seiner Rechten aber und zu seiner Linken standen vier Älteste und hinter ihnen noch mehrere andere Älteste. Voller Bewunderung traten wir ein und standen vor dem Throne; die vier Engel hoben uns in die Höhe, wir küßten ihn und er warf es uns von seiner Hand ins Antlitz zurück. Die übrigen Ältesten aber sagten uns: Laßt uns stehen! Und wir stellten uns und gaben den Friedenskuß. Und die Ältesten sagten zu uns: Gehet jetzt und spielet! Da sagte ich zu Perpetua: Da hast du, was du verlangst. Und sie entgegnete mir: Gott sei Dank; wie ich im Fleische fröhlich war, will ich es jetzt noch mehr sein.
13.
Wir gingen hinaus und sahen vor der Türe den Bischof Optatus zur Rechten und den Priester und Lehrer Aspasius zur Linken; sie standen da voneinander getrennt und traurig, warfen sich uns zu Füßen und sagten: Stiftet Frieden unter uns, weil ihr hinausgegangen seid und uns so zurückgelassen habt. Und wir sagten zu ihnen: Bist du nicht unser Bischof und du unser Priester, daß ihr euch uns zu Füßen leget? Und wir wurden gerührt und umarmten sie. Perpetua redete griechisch mit ihnen und wir gingen mit ihnen in den Lustgarten unter einen Rosenbaum. Und während wir mit ihnen redeten, sagten die Engel zu ihnen: Lasset sie, sie sollen sich ergötzen; und wenn ihr Streitigkeiten untereinander habt, so vergebet einander; sie trieben sie fort und sagten zu Optatus: Bessere dein Volk. Denn so kommt man bei dir zusammen, als ob man aus dem Zirkus zurückkehrte und in Parteien geteilt stritte. Es schien uns aber, als wollten sie die Tore schließen. Und wir erkannten dort viele Brüder, die auch Märtyrer waren; wir alle wurden mit einem unbeschreiblichen Wohlgeruche erfüllt, der uns sättigte. Darauf erwachte ich in freudiger Stimmung.
14.
Das sind die vorzüglicheren Gesichte dieser heiligen Märtyrer Saturus und Perpetua, die sie selbst niedergeschrieben haben. Den Sekundulus aber hat Gott durch einen frühern Ausgang aus der Welt noch im Kerker abgerufen, nicht ohne besondere Gnade, da die Tiere ihm erspart blieben. Wenn auch nicht seine Seele, so hat doch sicherlich sein Leib das Schwert kennen gelernt.
15.
Was aber die Felizitas angeht, so wurde ihr die Gnade des Herrn auf folgende Weise zuteil. Als sie schon acht Monate schwanger war – denn in diesem Zustande wurde sie festgenommen – und der Tag des Schauspieles näher kam, war sie in tiefer Trauer, sie möchte wegen ihrer Schwangerschaft zurückbleiben müssen, da es nicht gestattet ist, Schwangere hinzurichten, und möchte später unter anderen Verbrechern ihr heiliges und unschuldiges Blut vergießen. Aber auch ihre Mitmärtyrer waren darüber sehr betrübt, daß sie eine so gute Genossin wie eine Begleiterin allein auf demselben hoffnungsvollen Wege zurücklassen sollten. Sie flehten und beteten daher einmütig drei Tage vor dem Festspiele zum Herrn. Und gleich nach dem Gebete befielen sie die Wehen. Als sie wegen der Schwierigkeiten, die immer eine Geburt im achten Monate macht, viele Schmerzen litt, sagte einer von den wachhaltenden Dienern: Wenn du jetzt so jammerst, was wirst du erst tun, wenn du den Tieren vorgeworfen bist, die du, als du nicht opfern wolltest, verachtetest? Sie aber antwortete: Jetzt leide ich selbst, was ich leide; dort aber wird ein anderer in mir sein, der für mich leidet. weil auch ich für ihn leiden werde. So hat sie ein Mädchen geboren, welches sich dann eine Schwester zur Tochter auferzogen hat.
16.
Da nun der Heilige Geist es gestattete, ja es bestimmte, daß der Verlauf dieses Festspieles beschrieben werde, so erfüllen wir, obgleich wir der Vollendung der Beschreibung einer solchen Herrlichkeit unwürdig sind, dennoch in gewissem Sinne ein Gebot, ja den letzten Willen der heiligen Perpetua, indem wir noch einen Beweis ihrer Standhaftigkeit und Geistesgröße beifügen. Als sie von dem Tribunen deshalb in der Nahrung knapper gehalten wurden, weil er nach den Zuflüsterungen einfältiger Menschen fürchtete, sie möchten durch gewisse Zauberkünste aus dem Kerker entführt werden, sagte sie ihm ins Gesicht: Warum gestattest du denn nicht, daß wir, die wir doch so vornehme Verbrecher sind, daß wir am Geburtstage des Cäsar zu seiner Ehre in den Kampf gehen sollen, ordentlich genährt werden? Oder ist es nicht dein Ruhm, wenn wir stark und fett dort vorgeführt werden? Der Tribun erschrak, schämte sich und befahl, sie menschlicher zu behandeln, erlaubte auch, daß ihre Brüder und andere zu ihnen gehen und sich mit ihnen erheitern konnten. Damals wurde sogar der Kerkeraufseher gläubig.
17.
Tags vorher, als sie jenes letzte Mahl, das man das freie nennt, soviel es ihnen möglich war, nicht als freies, sondern als Liebesmahl hielten, richteten sie mit derselben Unerschrockenheit Worte an das Volk, drohten mit dem Gerichte Gottes, beteuerten die Glückseligkeit ihrer Leiden und verspotteten die Neugierde des zusammengelaufenen Volkes, wobei Saturus sagte: Ist euch der morgige Tag nicht genug, weil ihr das gerne sehet, was ihr hasset? Heute seid ihr noch Freunde, morgen Feinde. Merkt euch aber nur gut unsere Gesichter. damit ihr uns am Gerichtstage wiedererkennet. Da gingen alle erschüttert von dannen und viele von ihnen glaubten.
18.
Nun brach der Tag ihres Sieges an und sie traten hervor aus dem Kerker in das Amphitheater, als ob sie in den Himmel gingen, heitern und schönen Antlitzes, und wenn sie zitterten, so war es vor Freude, nicht aus Furcht. Perpetua kam langsamen Schrittes, wie eine Braut Christi, wie eine Dienerin Gottes; durch den hellen Blick ihrer Augen schlug sie die Blicke aller nieder. Ebenso kam Felizitas, froh, daß sie glücklich geboren hatte, um mit den Tieren zu kämpfen, von dem einen Blutvergießen zum anderen, zuerst Wehmutter, dann Fechterin, im Begriffe, sich nach der Geburt durch eine zweite Taufe zu reinigen. Als sie zum Tore geführt worden waren und die Kleider anlegen sollten, die Männer die der Saturnuspriester, die Frauen die der Ceresdienerinnen, da hat jene großmütige Standhaftigkeit bis zum Ende sich geweigert. Sie sagte nämlich: Darum sind wir freiwillig hierhin gekommen, damit uns unsere Freiheit nicht genommen werde; darum haben wir unser Leben preisgegeben, um nichts derartiges tun zu müssen; diesen Vertrag haben wir mit euch abgeschlossen. Die Ungerechtigkeit hat hier das Recht anerkannt; der Tribun gestattete, daß sie so, wie sie waren, ohne weiteres hereingeführt würden. Perpetua sang, indem sie schon dem Ägypter den Kopf zertrat; Revokatus, Saturninus und Satyrus wiesen das zuschauende Volk auf das kommende Strafgericht hin. Als sie darauf vor das Angesicht des Hilarianus kamen, sagten sie ihm mit Gebärden und Mienen: Du richtest uns, Gott wird dich richten. Das hierüber ergrimmte Volk verlangte, daß sie der Reihe nach von den Jägern mit Geißeln sollten gezüchtigt werden; sie allerdings freuten sich, daß sie auch etwas von den Leiden des Herrn erlangt hatten.
19.
Aber der gesagt hatte: Bittet und ihr werdet empfangen, hat ihnen auf ihre Bitte den Ausgang gewährt, den ein jeder gewünscht hatte. Denn wenn sie so untereinander von dem Verlangen nach ihrem Martyrium redeten, dann bekannte Saturninus immer, er wünsche allen Tieren vorgeworfen zu werden, um nämlich eine herrlichere Krone zu bekommen. Und so wurden er und Revokatus beim Beginne des Schauspieles von einem Leoparden ergriffen und dann noch über das Gerüste hinaus von einem Bären zerrissen. Saturus aber scheute nichts mehr als den Bären und wünschte sich, schon allein durch den Biß eines Leoparden getötet zu werden. Als er daher einem Eber vorgeworfen wurde, wurde vielmehr der Jäger, der ihn dem Eber vorgeführt hatte, von dieser Bestie verwundet und starb nach den Festtagen; Saturus aber wurde nur geschleift. Und als man ihn dann für einen Bären an die Brücke band, wollte der Bär nicht aus seiner Höhle heraus; so wurde Saturus zum zweiten Mal unverletzt zurückgeführt.
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Für die Frauen aber hat der Teufel eine sehr wilde Kuh bestimmt, die gegen die Gewohnheit hierfür herbeigeschafft worden war, damit auch die Bestie desselben Geschlechtes wäre. Sie wurden also entkleidet und mit Netzen umhüllt vorgeführt. Das Volk aber schauderte, da es in der einen ein zartes Mädchen, in der anderen eine junge Mutter mit noch milchtropfenden Brüsten sah. Darum wurden sie zurückgerufen und mit losen Gewändern bekleidet. Zuerst wurde Perpetua hingeworfen und fiel auf die Lenden; sie setzte sich aufrecht und zog ihr Kleid, das an der Seite zerrissen war, zurück zur Verhüllung ihres Oberschenkels, mehr um ihre Scham als um ihren Schmerz besorgt. Darauf flocht sie mit einer Nadel ihre Haare in einen Bund zusammen; denn es war ungeziemend, daß eine Märtyrin mit fliegenden Haaren litt, damit es nicht schien, als ob sie bei ihrer Verherrlichung trauere. So stand sie auf, und als sie die Felizitas am Boden liegend sah, trat sie zu ihr hinzu, reichte ihr die Hand und hob sie auf. Nun standen beide da und wurden, da die Grausamkeit des Volkes besiegt war, zum sanavivarischen Tore zurückgebracht. Dort wurde Perpetua von einem gewissen Rustikus, der damals noch Katechumene war und ihr anhing, aufgenommen; wie vom Schlafe erwacht – so sehr war sie im Geiste und in Verzückung gewesen – fing sie an, sich umzusehen und sagte zum Staunen aller: Wann werden wir denn jener, ich weiß nicht welcher, Kuh vorgeworfen werden? Als sie dann hörte, daß es schon geschehen war, glaubte sie es nicht eher, als bis sie einzelne Merkmale des überstandenen Leidens an ihrem Leibe und an ihrer Kleidung erkannte. Darauf ließ sie ihren Bruder kommen und redete ihn und den Katechumenen also an: Stehet fest im Glauben, liebet einander und nehmt an unseren Leiden keinen Anstoß!
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Inzwischen redete Saturus an einem anderen Tore dem Soldaten Pudens zu und sagte: Bis jetzt habe ich überhaupt, sowie ich vorausgesehen und vorhergesagt habe, noch mit keinem der Tiere zu tun gehabt. Glaube jetzt von ganzem Herzen: Siehe ich gehe jetzt hier heraus und werde von einem einzigen Bisse eines Leoparden getötet. Und sofort wurde er am Ende des Schauspieles, als ein Leoparde losgelassen worden war, durch einen einzigen Biß desselben so mit Blut übergossen, daß das Volk ihm bei seiner Rückkehr Zeugnis von seiner zweiten Taufe gab, indem es rief: Möge dir das Bad wohl bekommen, möge dir das Bad wohl bekommen! Freilich war er in jeder Hinsicht geheilt, der also gewaschen worden war. Er sagte noch zu dem Soldaten Pudens: Lebe wohl, gedenke des Glaubens und meiner, und das hier möge dich nicht irre machen, sondern bestärken! Zugleich erbat er sich den Ring von seinem Finger, tauchte ihn in sein Blut und gab ihn ihm als Erbstück zurück, indem er ihm ein Unterpfand und ein Andenken an sein Blut hinterließ. Darauf wurde er, schon fast entseelt, mit den übrigen an die gewohnte Stelle geworfen, um den Todesstreich zu erhalten. Und da das Volk sie in der Mitte zu sehen verlangte, um seine Augen an ihrem Tode zu weiden, wenn das Schwert in ihren Leib drang, da erhoben sie sich selbst und begaben sich dahin, wohin das Volk wollte, nachdem sie vorher einander geküßt hatten, um ihr Martyrium mit dem feierlichen Friedenskusse zu vollenden. Die übrigen empfingen regungslos und lautlos den Todesstoß, am meisten Satyrus; er, der zuerst die Leiter hinaufgestiegen war, gab auch zuerst den Geist auf und erwartete die Perpetua. Perpetua aber, um doch auch etwas von Schmerzen zu kosten, schrie auf, als sie zwischen die Rippen getroffen wurde, und führte die schwankende Hand des noch unerfahrenen Gladiators zu ihrer Kehle. Vielleicht hätte eine solche Frau anders nicht getötet werden können, da sie von dem unreinen Geiste gefürchtet wurde, wenn sie nicht selbst gewollt hätte.
O heldenmütige und hochheilige Märtyrer! O wahrhaft Berufene und Auserwählte zur Herrlichkeit unseres Herrn Jesu Christi! Wer diese verherrlicht, ehrt und anbetet, der muß ohne Zweifel auch solche Beispiele, die den alten nicht nachstehen, zur Erbauung der Kirche lesen, damit auch die neuen Wunderkräfte dafür Zeugnis ablegen, daß ein und derselbe Geist bis jetzt noch fortwirkt und Gott der allmächtige Vater und sein Sohn Jesus Christus unser Herr, dem Ehre sei und unermeßliche Macht in alle Ewigkeit. Amen.
Märtyrerakten
Die Akten der Hl. Perpetua und Felizitas
Quellenangabe:
Frühchristliche Apologeten Band II. Aus dem Griechischen übersetzt von J.Leitl (Autolycus). Aus dem Lateinischen übersetzt von Dr. Alfons Müller – Kaplan in Stuttgart (Octavius). Aus dem Griechischen oder Lateinischen übersetzt von Gerhard Rauschen (Märtyrerakten) (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 14) München 1913.
Für die BKV im Internet bearbeitet von:
Ursula Schultheiß
Externe Informationen (ohne Gewähr)
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
Bild: März, 7. Perpetua